Die russische Landwirtschaft hat seit 1991, gleich wie Russland als Ganzes, große Veränderungen durchgemacht. Die alten Strukturen fielen zusammen und es mussten in praktisch allen Bereichen der Landwirtschaft empfindliche Produktionsrückgänge hingenommen werden. Sehr viele Kolchosen und Sowchosen gingen im Verlaufe der Neunzigerjahre Konkurs. Dies führte zu Arbeitslosigkeit und großen sozialen Problemen auf dem Land. Eine Landflucht setzte ein und die Abhängigkeit Russlands von Lebensmittelimporten nahm markant zu.
Etwa ab dem Jahr 2000 fingen dann die eingeleiteten wirtschaftlichen Reformen allmählich an, Wirkung zu zeigen, es wurden zudem staatliche Maßnahmen zur gezielten Förderung der Landwirtschaft ergriffen. 2002 wurde ein Gesetz verabschiedet, das den Kauf und Verkauf von Landwirtschaftsland ermöglichte.
Dies führte neben den steuerlichen Vergünstigungen und staatlich subventionierten Krediten dazu, dass Investitionen in den Agrarsektor attraktiv wurden und der Prozess der Erneuerung der russischen Landwirtschaft einsetzen konnte.
Am schnellsten hat sich der Getreidesektor entwickelt. Heute ist Russland zum größten Weizenexporteur der Welt aufgestiegen. Den Getreidesektor dominieren heute Agrar-Holdings, die mit moderner Technik auf Zehntausenden von Hektaren produzieren.
In der Tierhaltung geht der Wiederaufbau der Produktionskapazitäten naturgemäß langsamer vonstatten. Aber auch in diesem Bereich wurden in den letzten Jahren beträchtliche Fortschritte erzielt. Beim Geflügel und beim Schweinefleisch wird der Inlandbedarf heute praktisch vollständig aus eigener Produktion gedeckt.
In der Milchproduktion und beim Rindfleisch hat seit den Sanktionen von 2014 ein starkes Wachstum eingesetzt. Die russische Antwort auf die Sanktionen des Westens bestand in einem Importstopp für westliche Nahrungsmittel. Damit wurde die Inlandnachfrage stark belebt, die Preise zogen an und die russischen Produzenten konnten die freigewordenen Verkaufsregale mit eigenen Produkten füllen. Da gleichzeitig der Rubel gegenüber dem Dollar an Wert verlor, sind heute russische Agrarprodukte auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig geworden.
Die russische Regierung hat sich nun zum Ziel gesetzt, Russland in den nächsten Jahren zu einem der weltweit führenden Agrarexporteure zu machen. Das Potenzial dazu ist definitiv vorhanden, nicht nur im Getreidebau, sondern auch in der Fleischproduktion und in anderen Produktionsbereichen.
Die Struktur der russischen Landwirtschaft ist heute stark diversifiziert. Neben großen und mittleren Agrarunternehmen verschiedener Eigentumsformen gibt es immer noch die traditionellen Nebenerwerbs-Betriebe, welche bereits zu Sowjetzeiten einen beträchtlichen Teil des Bedarfs an Nahrungsmitteln produzierten.
Eigentliche Familienbetriebe, wie sie im Westen existieren, konnten sich in Russland kaum durchsetzen. Von den rund einer Million Bauernbetrieben, die sich anfangs der 1990-er Jahre registrieren ließen, hat nur ein kleiner Teil überlebt. Diese haben aber heute teilweise beträchtliche Dimensionen erreicht. So gibt es heute nicht wenige Privatbauern, die einige Tausend Hektar Land bewirtschaften.
Die technische Ausstattung der Betriebe ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Während im Privatsektor immer noch viel Handarbeit eingesetzt wird, sind die neuen Großbetriebe mit modernster Technik ausgerüstet.